Die Landesregierungen haben aufgrund der rapide steigenden Corona-Neuinfektionen die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit teils massiv eingeschränkt. Verwaltungsgerichte haben nun erste Entscheidungen zur Legalität dieser Maßnahmen getroffen, die von einigen Bürgerrechtlern und von Stimmen aus der Wirtschaft als zu streng angesehen werden.

In Deutschland gibt es laut Daten des Johns Hopkins Coronavirus Resource Center (Stand 08. April 2020) 107.663 bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. 36.081 Infizierte sind bereits wieder genesen, 2.016 Menschen sind aber verstorben. Um die weitere Ausbreitung des Virus, gegen den es noch keine Impfung und kein Medikament gibt, zu verhindern, haben viele Unternehmen sich bereits dafür entschiedenen ihre Tätigkeit teilweise einzustellen oder wenn möglich Mitarbeiter im Home-Office arbeiten zu lassen.

Supermärkte, Drogerien und andere Geschäfte des täglichen Bedarfs, die zur Grundversorgung der Bevölkerung weiter geöffnet bleiben dürfen, beschränken zum Schutz der Mitarbeiter und Kunden außerdem die Anzahl der parallel im Laden erlaubten Personen, desinfizierten Oberflächen und installieren in besonders kritischen Bereichen wie den Kassen Schutzmaßnahmen gegen Tröpfcheninfektionen.

Maßnahmen der Landesregierungen gerichtlich geprüft

Neben den freiwilligen Einschränkungen der Betriebe und der Privatpersonen haben die für den Seuchenschutz zuständigen Landesregierungen außerdem zahlreiche Maßnahmen erlassen. Kritiker aus der Wirtschaft aber auch Bürgerrechtler sehen in diesen Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit teils Verstöße gegen die geltende Rechtslage. Einige Verwaltungsgerichte haben sich deshalb mit der Legalität der Maßnahmen beschäftigt und kürzlich erste Entscheidungen veröffentlicht. Es handelt sich dabei um Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz, bei denen gerichtlich aufgrund des Zeitdrucks nur summarisch geprüft wird, ob die Regeln „vermutlich rechtmäßig“ sind.

Sachsen

Die Corona-Verordnung in Sachsen beschränkt die Bewegungsfreiheit auf das „Umfeld des Wohnbereichs“. Das sächsische Oberverwaltungsgericht (Aktenzeichen 3 B 111/20) hat entschieden, dass diese Einschränkung legal ist, weil dabei ein Radius von 10 bis 15 Kilometern gemeint sein dürfte. Ein Eilantrag gegen die Corona-Schutz-Verordnung wurde daher abgelehnt.

Nordrhein-Westfalen

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (Aktenzeichen 13 B 398/20.NE) hat entschieden, dass der Einzelhandel auch weiterhin geschlossen bleiben muss, wenn er nicht essenziell für die Grundversorgung der Bevölkerung ist. Ein Eilantrag einer Firma, die Geschenk- und Haushaltsartikel im Niedrigpreissegment vertreibt, und die das Infektionsschutzgesetz nicht als ausreichende Rechtsgrundlage für die Einschränkung ihrer Geschäftstätigkeit sah, wurde daher abgelehnt.

Ein Weinhändler in Aachen darf laut einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen (7 L 259/20) weiter sein Geschäft öffnen. Die Stadt Aachen hat die Öffnung des Ladens ursprünglich untersagt, weil die Waren ihrer Ansicht nach nicht zum Grundbedarf gehören. Das Verwaltungsgericht sieht diese Entscheidung allerdings als zu einschränkend und hat daher die Öffnung des Ladens wieder erlaubt, weil auch Wein ein Lebensmittel und damit Grundbedarf sei.

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen (Aktenzeichen 32/20.VB-1, 33/20.VB-2) hat hingegen noch keine Entscheidungen in Bezug zur Corona-Verordnung getroffen, weil er Beschwerden derzeit als unzulässig ansieht. Stattdessen verweist das Gericht darauf, dass Beschwerden gegen konkrete Einzelanordnungen oder ein Normenkontrollverfahren bei den Verwaltungsgerichten möglich sind.

Berlin

Besuchsverbote in Pflegeheimen, die besonders gefährdete Risikogruppen schützen sollen, sind laut dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen 11 S 14/20) durch das Infektionsschutzgesetz abgedeckt. Ein Eilantrag gegen dieses Verbot wurde daher abgewiesen.

Auch ein Rechtsanwalt, der durch die Corona-Verordnung seine Berufsfreiheit unrechtmäßig eingeschränkt sah, hat vom Verwaltungsgericht Berlin (Aktenzeichen 14 L 31.20) kein Recht bekommen. In dem Fall ging es darum, dass Anwälte von Mandaten nur in dringende Fällen aufgesucht werden dürfen und bei eventuellen Kontrollen angeben müssten, wieso sie den Anwalt aufsuchten.

Bremen

Ein Eilantrag eines Fliesenmarkts in Bremen wurde vom dortigen Verwaltungsgericht (Aktenzeichen 5 V 604/20) abgewiesen. Der Besitzer argumentierte damit, dass ein Fliesenmarkt zu den Baumärkten gehören wurde und damit offenbleiben dürfte. Das Gericht folgt dieser Argumentation nicht, weil laut ihm ein Baumarkt eine „breite Palette an Produkten“ anbietet, die auch Dinge enthält, die Kunden für unaufschiebbare Reparaturen benötigen. Neue Fließen sind hingegen laut dem Gericht Schönheitsreparaturen, die auch nach der Corona-Pandemie durchgeführt werden können.

Hamburg

Das Oberverwaltungsgericht Hamburg (Aktenzeichen 3 E 1568/20) musste eine politisch besonders heikle Entscheidung treffen und das Demonstrationsrecht einschränken. Es ging dabei um die Frage, ob eine Versammlung auf dem Fischmarkt St. Pauli, die die Lage in griechischen Flüchtlingslagern zum Thema hatte, legal sei.

Schleswig-Holstein

Eine ähnliche Entscheidung musste auch das Verwaltungsgericht von Schleswig-Holstein (Aktenzeichen 3 B 30/20) treffen, das eine Versammlung in der Lübecker Innenstadt untersagte.