Pilze auf einer Wiese (Symbolbild)
Nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986 zog eine radioaktive Wolke nach Mitteleuropa. Die Folgen sind auch 35 Jahre später noch messbar. In fast allen Wildpilzen lassen sich immer noch radioaktive Spuren nachweisen, teilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am Freitag mit.
In 95 Prozent aller in den vergangenen sechs Jahren vor allem in Süddeutschland genommenen Pilzproben sei eine erhöhte Belastung mit Cäsium-137 und Cäsium-134 gemessen worden, so die Behörde. Die radioaktiven Stoffe kommen in der Natur nicht vor, sondern entstehen durch Kernspaltung in Atomreaktoren.
Bei keiner der 74 untersuchten Proben sei jedoch der gesetzliche Grenzwert für den Verkauf von Lebensmittel von 600 Becquerel Strahlung pro Kilogramm überschritten worden. Zum Vergleich: Laut Bundesamt für Strahlenschutz entspricht der Verzehr von 200 Gramm Pilzen mit 3000 Becquerel Cäsium-137 der Strahlenbelastung, die ein Flugpassagier von Frankfurt nach Gran Canaria ausgesetzt ist.
Das BVL erklärte, dass wildwachsende Pilze viel länger kontaminiert seien als landwirtschaftliche Erzeugnisse. Das liege am »wirksamen Nährstoffkreislauf in Waldökosystemen«. Die Becquerel-Obergrenze gelte zwar nur für den Handel und nicht für den Eigenbedarf. Vom Genuss von Waldpilzen rät das Amt aber noch aus einem anderen Grund ab: Das Risiko, einen Giftpilz zu erwischen sei zu hoch.
Das Unglück in Tschernobyl 1986 führte in Deutschland wenige Wochen später zur Gründung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Anti-Atomkraftbewegung bekam Zulauf; seitdem wurde in Deutschland über einen Atomausstieg diskutiert. Der wurde 2011 nach dem Unglück im japanischen Atomkraftwerk in Fukushima endgültig beschlossen.
Die letzten Meiler sollen Ende nächsten Jahres vom Netz gehen. Angesichts der Klimakrise wird seit einigen Jahren darüber diskutiert, ob die damals von einer Mehrheit der Bevölkerung getragene Entscheidung zum Ausstieg aus der klimafreundlichen Atomkraft letztlich der richtige Weg war. Auch innerhalb der Europäischen Union gehen die Meinungen der Mitgliedstaaten darüber auseinander.
Nach Ansicht Frankreichs etwa ist es unmöglich, den Energiebedarf bis 2050 allein aus erneuerbaren Energien zu decken. Das Land bezieht viel Strom aus seinen Atomkraftwerken, in Deutschland dagegen laufen noch Dutzende besonders klimaschädliche Kohlekraftwerke. Bei einem Treffen der EU-Wirtschaftsminister in der vergangenen Woche kam es zum Streit über die Einstufung der Atomkraft als umweltfreundliche Energiequelle.
Derzeit wird über das sogenannte Fit-for-55-Paket verhandelt. Dabei geht es darum, wie die EU ihr Ziel erreichen kann, bis 2050 klimaneutral zu werden. Teil der Debatte ist, welche Energieformen gefördert und wie Geld eingesetzt wird, um dieses Ziel zu erreichen.
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Pilze auf einer Wiese (Symbolbild)
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