Fleißig, zielbewusst, verbindlich: Baden-Württembergs neue Ministerin für Justiz und Migration, Marion Gentges, geht mit einem guten Ruf ins neue Amt.
Von JENS SCHMITZ
Ihren Amtseid hat die neue Justizministerin Marion Gentges abgelegt, jetzt geht es an die Arbeit. Foto: Bernd Weißbrod/dpa-Pool/dpa
Stuttgart. Marion Gentges gilt nicht nur als gewissenhaft. Sie hat auch ein penibles Gedächtnis. „Ich kann Ihnen sagen, wann ich meinen ersten Strafzettel bekommen habe“, gibt die 49-Jährige bereitwillig Auskunft. „Das war zur Immatrikulation in Freiburg; da habe ich das Gebäude gesucht und nicht registriert, dass das eine 30er-Zone war, und bin halt mit 45 Stundenkilometern durch. Die 50 hatte ich nicht, weil ich ja nach dem Haus gesucht habe.“ Konflikte mit dem Gesetz sind rar in Gentges‘ Biografie. „Ich meine, über 15 Euro bin ich tatsächlich nie drüber gekommen.“
Heute empfängt die Juristin in einem Konferenzsaal des Königsbaus gegenüber dem Neuen Schloss in Stuttgart. Die Räume im eigentlichen Justizministerium werden noch renoviert, doch seit vergangener Woche ist Gentges Herrin über das Ressort. 2016 im Wahlkreis Lahr per Zweitmandat in den Landtag gewählt, fünf Jahre später Ministerin – hat sie mit so einem Karrieresprung gerechnet? Gentges lacht. „Nein! Nicht wirklich.“
Die Christdemokratin gehört zu den Shootingstars der neuen Landesregierung. Zur Nominierung verhalf ihr auch der in der CDU traditionell wichtige Regionalproporz. Statt des von der Parteiführung ursprünglich favorisierten Ex-Fraktionschefs Wolfgang Reinhart aus Nordwürttemberg folgt im Justizministerium jetzt auf Guido Wolf eine weitere Persönlichkeit aus Südbaden. Jünger und weiblicher macht Gentges die CDU-Ministerriege obendrein.
Dass Parteichef Thomas Strobl die in Zell am Harmersbach wohnende Aufsteigerin grundsätzlich auf dem Schirm hatte, überrascht nicht. In den fünf Jahren ihrer Parlamentszugehörigkeit hat sich Gentges einen guten Ruf erworben. Sie hat in allen drei Untersuchungsausschüssen der vergangenen Legislaturperiode mitgearbeitet, in zweien davon als Obfrau ihrer Fraktion. Im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst gelang es ihr als CDU-Sprecherin trotz deutlicher Gegenakzente zur Fachministerin Theresia Bauer (Grüne) ein konstruktives Verhältnis zu halten. Gentges gilt als fleißig und strukturiert; sie kann pointiert sein, bleibt aber stets verbindlich. Mit ihrem respektvoll-zielbewussten Auftreten hat sie sich über Fraktionsgrenzen hinweg Achtung erworben.
An die Anfänge ihrer politischen Karriere erinnert sie sich gut. „Ich habe gerade erst meiner Tochter meinen ersten politischen Erfolg gezeigt“, sagt die frischgebackene Ministerin und lächelt. „In der Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, gab es eine gefährliche Stelle, und da bin ich als Jugendliche zum Bürgermeister und habe einen Verkehrsspiegel angeregt. Der hängt heute noch.“
Gentges wurde 1971 in Haslach im Kinzigtal als Tochter einer Bankkauffrau geboren; ihr Vater hatte einen metallverarbeitenden Betrieb. Es sei ein politisches Elternhaus gewesen, erinnert sich die bekennende Europäerin, der Vater kommunalpolitisch engagiert, die Mutter im Elternbeirat. Dann kam das Erlebnis der Wiedervereinigung: „Diese friedliche Revolution von unten, das hat mich unheimlich beeindruckt. Das waren für mich die zwei Wurzeln dafür, dass ich dann schon während der Schulzeit gesagt habe, ich engagiere mich auch politisch.“ Gentges trat in die Junge Union ein, wenig später auch in die CDU.
Nach dem Abitur und ihrem ersten Strafzettel studierte sie Jura an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Dass ihre WG-Mitbewohnerin Christine Schäuble, Tochter von Wolfgang Schäuble, einmal den heutigen Landesparteichef heiraten würde, konnte Gentges damals so wenig ahnen wie Christine Strobls Aufstieg zur ARD-Programmdirektorin – und ihren eigenen zur Ministerin.
Aufgabe der eigenen Kanzlei
Gentges wurde Kreisvorsitzende der Jungen Union Ortenau und rückte in den Kreisvorstand der CDU Ortenau auf. Nach einer Angestellten-Phase in Hessen machte sie sich 2004 mit einer Kanzlei in Zell am Harmersbach selbstständig; sie ist auf Arbeitsrecht spezialisiert, arbeitete aber auch als Opferanwältin mit dem Weißen Ring zusammen. Ihre Kanzlei muss sie jetzt aufgeben. „Das war tatsächlich das Härteste an der Frage, ob man sich auch für ein Regierungsamt entscheiden kann“, sagt Gentges.
Als Präsidentin des Landesverbandes der Musikschulen Baden-Württembergs ist sie vor gut zwei Wochen wiedergewählt worden, auch wenn sie ihre eigenes Spiel auf der klassischen Gitarre seit Jahren vernachlässigt. Gentges fährt gern Mountainbike und entspannt sich am liebsten beim Kochen. Sie ist katholisch und mit einem Galeristen verheiratet; das Paar hat eine 17-jährige Tochter.
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